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Die Nachbarschaften

Ein starkes, in Nachbarschaften gut organisiertes Gemeinwesen bot wie auch andernorts in Siebenbürgen den sächsischen Bewohnern Schutz und Zusammenhalt: "Anno 1720 den 26 Aprilis ... so ist die gemein in 5 Nachbarschaft ab getheilet" heißt es in einem Nachbarschaftsbuch; 1779 wurden daraus sieben und nach 1834 schließlich neun Nachbarschaften, die bis in die Neuzeit bestanden.

Nachbarschaftsbuch

Jede Nachbarschaft besaß ein Nachbarschaftsbuch. Darin waren die Ordnungsartikel der Satzungen fein säuberlich eingetragen, in der Regel enthielten die Bücher auch eine Übersicht der Höfe und ihrer Besitzer oder Bewohner, wonach der jeweilige Nachbarvater noch besondere Ereignisse und Geschehnisse eintrug, die in seiner Amtszeit vorkamen. So sind einige dieser Bücher zu wertvollen Chroniken geworden. Leider sind die Ältesten verlorengegangen.

Die Nachbarschaften haben wohl mit der Zeit ihre öffentlich-rechtliche Funktion verloren, regelten dennoch das Zusammenleben der Menschen in der dörflichen Gemeinschaft im Großen und Ganzen bis in unsere Tage. Nachbarschaftliche Satzungen gab es wohl schon sehr früh, bekannt ist auch, dass sie mehrfach überarbeitet wurden (1662, 1720 1767, 1813, 1834, 1921). Die Satzungen des Kronstädter Bezirks von 1921 beschreiben die Aufgaben der Nachbarschaft folgendermaßen:
"Die Nachbarschaft dient dem Zweck, gegenseitige Selbsthilfe der Nachbarn zu fördern, nachbarlich-brüderliche Gesinnung zu pflegen, ehrbare evangelische Lebensführung und gute sächsische Sitte unter den Gemeindegliedern aufrecht zu erhalten, den Stolz und die Freude ebenso an dem ererbten väterlichen Besitz, wie an der Zugehörigkeit zur Volks- und Kirchengemeinschaft und an der Heimat zu wecken und zu beleben, überhaupt alle auf die Volkswohlfahrt und Heimatpflege gerichteten Bestrebungen der Behörden, Vereine und Genossenschaften des Heimatortes fördern zu helfen."

Information & Kommunikation

In Begleitung sogenannter Nachbarschaftszeichen - Holztäfelchen, meist in Herzform geschnitten und mit einer Schnur zum Aufhängen versehen, jedoch von Nachbarschaft zu Nachbarschaft unterschiedlich gestaltet - wurden die Zettel mit den Bekanntmachungen von Gemeindeamt und Kirche von Haus zu Haus getragen. Wer das Zeichen länger liegen ließ, musste eine Strafe zahlen. Als die dörfliche Nachrichtenübermittlung in dieser Weise überholt war, wurden die Täfelchen noch als "Leichentafel" weitergetragen, wenn jemand in der Nachbarschaft gestorben war, oder beispielsweise als "Kehrtafel" bei Kehrpflicht in einem Gässchen.

Aufgaben/Pflichten

Die Nachbarschaften der Neuzeit suchten ihren Aufgaben vornehmlich im Rahmen des kirchlichen Lebens nachzukommen. Doch gab es nach wie vor durchaus auch praktisches Engagement: gegenseitige Hilfe bei Bauten und größeren Arbeiten in Haus und Hof (Haus oder Scheune aufrichten, Ziegel, Erde, Sand zuführen usw.); Hilfe in Krankheitsfällen, bei dringenden Feldarbeiten; nachbarschaftlichen Beistand bei Hochzeiten und anderen Festen; und nicht zu vergessen die Hilfe beim Ausbruch von Feuer oder bei Überschwemmungen.

Nach 1945 beschränkten sich die Pflichten der Nachbarschaften allerdings immer mehr auf Arbeiten, die im Rahmen der Kirchengemeinde anfielen, sowie die absolute Pflicht zur Teilnahme an und Mithilfe bei den Begräbnissen der Nachbarschaft.

Mitgliedschaft/ Zugehörigkeit

Einer Nachbarschaft gehörten in der Regel alle verheirateten Männer an, die in einer Straße wohnten. War die Straße allerdings sehr lang, wie z.B. die Lang- oder Hintergasse, wurde sie geteilt. Junge Männer richteten sich bald nach der Hochzeit mit einer kleinen Gebühr, dem "Eingruß", in die Nachbarschaft ein, in der sie von da an wohnten. Jeder Nachbarschaft stand ein "Erster Nachbarvater" vor, dem der "Zweite Nachbarvater" zur Seite stand und ihn vertrat. Diese wurden von den Männern der jeweiligen Nachbarschaft üblicherweise "un der Fósendich" (am Faschingstag) auf zwei bis vier Jahre gewählt. Wie der Wechsel vonstatten ging, ob der Zweite Nachbarvater automatisch und, wenn ja, nach wieviel Zeit zum Ersten aufrückte etc. - das wurde zumindest nach 1945 in den einzelnen Nachbarschaften unterschiedlich gehandhabt.

Wahl des Nachbarvaters

Zur Wahl versammelten sich die Männer im Hause des Nachbarvaters. Vor der Wahl musste der Nachbarvater Rechenschaft ablegen über alles, was im Laufe des Jahres vorgefallen und unternommen worden war, aufgetretene Streitigkeiten unter den Nachbarn wurden geschlichtet und Versäumnisse angezeigt. Dann wurden nach den Satzungen die Strafen ausgesprochen und meistens auch auf der Stelle beglichen. Das Geld aus der Nachbarschaftslade bzw. Nachbarschaftskasse wurde jedoch nicht nur dafür benutzt, die Kosten der folgenden Faschingsfeier zu decken, sondern auch andere gemeinsame Ausgaben, die im Laufe des Jahres fällig wurden.

Fasching

Die Faschingsfeiern waren ursprünglich und für lange Zeit eine reine "Männersache", Sie fanden ebenfalls im Hause eines der Nachbarväter statt, die "Nachbarmütter" wie auch andere Frauen, die ihnen zur Hand gingen, durften lediglich für das Essen sorgen und die Männer "bedienen". Die Frauen feierten dann separat, bei dem sogenannten "Fósendichbrüit" (Faschingsbrot) und einem Glas Wein oder Tee - und man muss sagen, sie genossen auch das. Ferner war es üblich, dass sie zu vorgerückter Stunde sich maskierten und die Männer besuchten, was immer eine große Gaudi war.

In jüngerer Zeit gaben sich die Frauen mit dieser Rolle jedoch nicht mehr zufrieden, sondern wollten mit ihren Männern mitfeiern - und vor allem auch die jungen Männer begrüßten es, mit ihren Frauen zusammen feiern zu können. So wurde denn die alte Regel gebrochen - sehr zum Unwillen einiger alter Männer, die von dem überkommenen Brauch partout nicht lassen wollten.

Auch maskierte Kinder besuchten gegen Abend die Feiernden (oder an anderen Abenden auch die Nachbarn oder Verwandte), um für das Absingen einiger Liedchen oder Aufsagen lustiger Verse ein paar Münzen einzuheimsen.

Einige Jahre lang (siebziger-achtziger Jahre des 20. Jh.) wurde die "Fósendich" auch von allen Nachbarschaften gemeinsam im Gesellschaftshaus gefeiert und dergestalt in der Dorfgemeinschaft zum größten gesellschaftlichen Ereignis des Jahres. Erst am zweiten Tag waren dann die einzelnen Nachbarschaften unter sich.